Brief an die KV-Nordbaden (seit dem 1.1.05: KV-BW) vom 9.5.2004

Was sollte vom Arzt bei der Erstellung von Überweisungen beachtet werden ?

Sehr geehrte Frau F.,

Sehr geehrte KV-Nordbaden, auch nach unserem Telefonat vom 5.5.04, bestehen noch gravierende Unklarheiten über die Vorgaben der KV-Nordbaden, für den Umgang der Vertragsärzte mit Überweisungen.

Im Folgenden möchte ich drei Fragenkomplexe präsentieren und um präzise Beantwortung bitten:

1. Dürfen Überweisungen nachgereicht werden, wenn ja bis zu welchem Zeitpunkt ?

1.1. Darf der Vertragsarzt die 10 Euro zurückgeben, wenn nach der Behandlung ein Überweisungsschein vorgelegt wird ?

1.2. Bis wie lange nach der Behandlung kann der Überweisungsschein vom Überweiser (rückwirkend) ausgestellt worden sein, dass die 10 Euro rückerstattungsfähig sind ?

1.3. Darf der Arzt dem Patienten die Mühe abnehmen ? - Die behandelnde Praxis würde beispielsweise telefonisch die Übersendung eines Überweisungsscheines beim vorbehandelnden Arzt erbitten.

(1.4. Sollen bei der Überweisung vom Facharzt zum Hausarzt die gleichen Regeln gelten wie umgekehrt ? - Siehe Punkt 3 )

2. Welche Voraussetzungen muss der Arzt zur Erstellung einer Überweisung erfüllen oder beurteilen ?

2.1. Reicht der Überweisungswunsch des Patienten, dem Arzt persönlich vorgetragen und gegebenenfalls erläutert, aus ?

2.2. Oder muss der Arzt die entsprechende Überweisung für medizinisch notwendig befinden ?

2.3. Unter welchen Voraussetzungen könnte es korrekt sein, dass der Patient bei der Helferin eine Überweisung „bestellt" und dann ohne Arztkontakt an der Anmeldung abholt ?

3. Ist die geforderte Vorgehensweise für die Überweisung vom Facharzt zum Hausarzt die gleiche, wie umgekehrt ?

3.1. Muss auch der Facharzt prüfen, ob eine Überweisung zum Hausarzt sinnvoll ist, oder ist in aller Regel davon auszugehen ?

3.2. Könnte somit der Facharzt, ohne gesonderte Prüfung, die Überweisung zum Hausarzt vom Patienten an der Anmeldung abholen lassen ?

3.3. Oder sollte der Facharzt sogar dem Patienten routinemäßig die Überweisung zum Hausarzt gleich mitgeben, sofern er als Facharzt der erste Kontakt im Quartal ist ?

Alle Leistungsträger in der KV sollten sich Ihrer Verantwortung bewusst sein:

Es muss Regeln geben.
Die Regeln müssen für alle gelten.
Die Regeln müssen klar formuliert sein.*
Die Einhaltung der Regeln muss geprüft werden.

(*Typische Ausnahmen müssen ebenfalls definiert sein - seltene Ausnahmen können dann abgeleitet werden)

 

Die KV hätte die Chance, die von allen relevanten Parteien (!) getragene Gesundheitsreform konstruktiv auszugestalten. Tut sie es nicht, riskiert sie die Einführung eines rigiden bürokratischen Versorgungssystems unter weitgehender Abschaffung der „freien Arztwahl" (nicht zu Verwechseln mit „freier Wahl der Versorgungsebene").

Mit freundlichen Grüßen
 

 

 

Brief an die KV-Nordbaden vom 10.6.2004

Sehr geehrte KV-Nordbaden,

leider habe ich von Ihnen noch keine Antwort auf mein Schreiben vom 9.5.04, mit Fragen zu den Vorgaben der KV für den Umgang der Vertragsärzte mit Überweisungen, erhalten.

In einigen Hausarztpraxen werden zu Anfang des nächsten Quartals wieder „Blanko-Überweisungen" bereitliegen, die sich der Patient ohne ärztliche Beratung abholen kann.

Das Handeln dieser Kollegen ist in soweit verständlich, als diese Vorgehensweise ja offenbar von der KV toleriert wird. Der Hausarzt der sich korrekt verhält, ist der „Dumme", er wird mit der Abwanderung eines Anteils seiner Patienten zum „kundenorientierten Kollegen" um die Ecke bestraft.

Auch das Verhalten der Patienten ist verständlich: Warum sollte er sich in einer Hausarztpraxis „der Mühe des Wartezimmers" unterziehen, wenn er zwei Straßen weiter, in einer anderen Praxis seine Überweisungen nur „bestellen und abholen" braucht.

Was also raten Sie mir ?

Soll ich nunmehr auch Überweisungen an der Anmeldung ausgeben lassen, um dadurch einer Abwanderung meiner ungeduldigen Patienten vorzubeugen ?

Oder soll ich „aufrecht und standhaft" bleiben, notfalls bis zur Insolvenz ?

Soll ich mich auf die Gerechtigkeit der Justiz verlassen, und mein entgangenes Honorar bei der KV, wegen Organisationsverschuldens, einklagen ?

Hier besteht dringender Beratungsbedarf. Darauf meine ich, als KV-Mitglied rechtzeitig vor Beginn des dritten Quartals 04, Anspruch zu haben.

Auch für ein klärendes Rundschreiben in dieser Angelegenheit wird es höchste Zeit, ich bitte hierfür die Frist bis zum 28. Juni 04 zu beachten, da sonst der Vorwurf der indirekten ökonomischen Benachteiligung von korrekt agierenden Vertragsärzten durch die KV unabwendbar wird.

 

Mit freundlichen Grüßen      

 

 

 

 

Brief der KV-Nordbaden vom 18.6.2004

Sehr geehrter Herr H.,

ich beziehe mich auf Ihre obigen Schreiben, wobei ich das vom 09.05. erst heute ausfindig machen konnte.

 

Zu Ihren Fragen darf ich wie folgt Stellung nehmen:

zu 1.:

Grundsätzlich gilt, dass eine Behandlung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen nur durchgeführt werden kann, wenn eine gültige Krankenversichertenkarte bzw. ein gültiger Überweisungsschein vorgelegt werden. Zur Nachreichung von Überweisungen ist in den Bundesmantelverträgen nichts ausgesagt. Allerdings gehen diese von einer nachträglichen Vorlage des Überweisungsscheins aus, indem in § 18 Abs. 1 geregelt wird, dass „die nachträgliche Vorlage einer Überweisung oder eines Befreiungsausweises ... keinen Rückzahlungsanspruch des Versicherten (begründet)." Zahlt der Arzt die Praxisgebühr dennoch an den Versicherten zurück, liegt das in seinem Ermessen. Ebenso liegt es im Ermessen des Arztes, wenn er den Überweisungsschein beim vorbehandelnden Arzt anfordert.

 

zu 2.:

Die Voraussetzungen zur Ausstellung einer Überweisung sind in § 24 Bundesmantelvertrag-Ärzte geregelt. Eine Überweisung ist nur für die Durchführung erforderlicher diagnostischer oder therapeutischer Leistungen auszustellen. Dabei gibt es sicher sehr viele Fälle, in denen die Überweisung bei der Arzthelferin „bestellt" werden kann (z. B. gynäkologische oder augenärztliche Untersuchung).

 

zu 3.:

Durch die Einführung der Praxisgebühr wird jetzt wieder eine Überweisung erforderlich, wo früher die Vorlage der KV-Karte ausreichte. Für die Überweisung vom Facharzt zum Hausarzt sehe ich keine besonderen Vorbehalte; so mag es sinnvoll sein, dem Patienten gleich eine Überweisung zum Hausarzt mitzugeben, wenn absehbar ist, dass weitere Arztbesuche im Quartal anfallen.

 

Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen Auskünften behilflich sein konnte, und verbleibe mit freundlichen Grüßen

i.A. A. Abteilungsleiter

 

 

 

 

Brief an die KV-Nordbaden vom 23.6.2004

Sehr geehrter Herr A.,

Vielen Dank für unser gestriges Telefonat

Zu 1.: Der bisherige Standpunkt der KV, den § 18 („die nachträgliche Vorlage eines Überweisungsscheins...) so zu interpretieren, dass auch ein nachträglich ausgestellter Überweisungsschein gültig wäre, ist falsch.

Sehr interessiert haben Sie mein Beispiel nachvollzogen:

Eine Patientin zahlt beim Hausarzt 10 Euro Praxisgebühr und lässt sich eine Überweisung zum Gynäkologen ausstellen, von dort eine Überweisung zum Hautarzt und von dort zum Hausarzt. Beim Hausarzt könnte, nach bisheriger Auffassung der KV, sich die Patientin nunmehr durch Vorlage dieser nachträglichen Überweisung die gezahlte Praxisgebühr rückerstatten lassen.

Zu 2.: Im Gespräch hatten sie als mögliche Formulierung für die formale Mindestvoraussetzung zur Erstellung einer ärztlichen Überweisung vorgeschlagen: „Zur Erstellung einer Überweisung muss in diesem Zusammenhang zumindest ein ärztlicher Patientenkontakt (eventuell auch telefonisch) stattgefunden haben".

Dass Arthelferinnen diese Aufgabe nicht übernehmen dürfen, dokumentieren auch jene Ärzte, die „Blankoüberweisungen an Ihrer Anmeldung abholen lassen" - diese Überweisungen sind nämlich vom Arzt selber unterschrieben, nicht etwa von der Helferin im Auftrag (i.A.)!

Bitte beachten Sie die Frist für ein klärendes Rundschreiben (28. Juni 04), beantworten sie hierin die relevanten Fragen, und vermeiden Sie unbedingt missverständliche Formulierungen.

Wichtiger Hinweis: Für ökonomische Schäden die durch vorsätzliche Fehlinformation (Nicht­Information wäre in diesem Fall auch Fehlinformation) entstehen, haften verantwortliche KV­Beschäftigte möglicherweise mit ihrem Privatvermögen.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

 

 

 

Brief der KV-Nordbaden vom 28.6.2004

Ausstellung von Überweisungen und Erhebung der Praxisgebühr

 

 

Sehr geehrter Herr H.,

ich beziehe mich auf unser fernmündliches Gespräch vom 22. diesen Monats.

 

Hinsichtlich Ihrer Fragen kann weder die KV noch ich verbindliche Vorgaben machen, sondern nur auf die geltenden vertraglichen Bestimmungen bzw. auf den EBM verweisen.

Zwar geht der Bundesmantelvertrag davon aus, dass grundsätzlich die Überweisung vor der erforderlichen diagnostischen und therapeutischen Leistungen des anderen Vertragsarztes ausgestellt wird (vgl. § 24 Abs. 1 BMV-Ä), doch lässt der Bundesmantelvertrag in § 18 Abs. 8 (bisher Abs. 1) zu, dass der gültige Behandlungsausweis (auch Überweisung) innerhalb einer Frist von 10 Tagen nachgereicht wird. Im jetzigen Abs. 9 wird sogar eröffnet, dass dem Vertragsarzt bis zum Ende des Kalendervierteljahres ein anderer gültiger Behandlungsausweis vorgelegt werden kann. Damit ist die nachträgliche Vorlage eines Überweisungsscheines nicht ausgeschlossen. Allerdings wird von der Ausstellung vor der Behandlung ausgegangen. Ebenso begründet die nachträgliche Vorlage einer Überweisung keinen Rückzahlungsanspruch des Versicherten (§ 18 Abs. 1 BMV-Ä).

 

Das von Ihnen skizzierte Beispiel der Ringüberweisung vom Hausarzt zum Gynäkologen, von diesem zum Hautarzt und von dort dann zurück zum Hausarzt mag konstruierbar sein. Der zuerst in Anspruch genommene Arzt ist verpflichtet, einen Originalfall anzulegen, den dann die KV mit der Pseudonummer 8030 kennzeichnet. Zur Korrektur und zur Entgegennahme der Überweisung ist der Arzt nicht verpflichtet, wie oben ausgeführt.

Dass vor der Ausstellung eines Überweisungsscheines zwingen ein unmittelbarer Kontakt zwischen Arzt und Patient stattgefunden haben muss, ist im Vertragsarztrecht nicht gedeckt. Verweisen kann ich dabei auf die Abrechnungsnummer 3 EBM, die Verwaltungsgebühr für das Ausstellen von Überweisungsscheinen ohne unmittelbaren Patientenkontakt.

Mit freundlichen Grüßen

i. A. A. Abteilungsleiter

 

 

 

 

Brief an das zuständige Finanzamt vom 6.3.2005

Sehr geehrte Frau H.,

 

vielen Dank für unser Telefonat vom ...Textfeld: -

 Freundlicherweise konnten Sie die Möglichkeit einer Stundung …

Ich solle in einem schriftlichen Antrag die Hintergründe meiner wirtschaftlichen Lage schildern, dem will ich hiermit nachkommen.

 

Für den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gesundheitsreform Januar 2004 hatte ich, als Hausarzt eine Verbesserung meiner wirtschaftlichen Situation erwartet, und im Vertrauen darauf, meine Finanzen geplant. Das erklärte Ziel der Reform war ja auch, den Hausarzt zu stärken, und alles deutete darauf hin.

 

Ein Umstand, den ich nicht voraussehen konnte, hat mich und meine Praxis dann jedoch „ins Mark getroffen“:

Das Reformkonzept: „10 Euro Praxisgebühr und Überweisung“ wurde von einigen Vertragsärzten (auch Hausärzten) ad absurdum geführt.- Dort wurden ohne Prüfung der medizinischen Notwendigkeit Wunschüberweisungen, beispielsweise auf telefonische Bestellung bei der Helferin, ausgestellt. Auch etliche Fachärzte lassen an ihrer Anmeldung „unbesehen“ Überweisungen zu anderen Fachärzten erstellen, statt die Patienten zum Hausarzt zu schicken (Gesetzlich vorgesehen ist die Überweisung von Facharzt zu Facharzt nur, wenn es im Rahmen seiner fachärztlichen Beurteilung notwendig wird).

 

Kurze Erklärung: Warum ist es ungesetzlich, Überweisungen ohne Arzt-Patienten-Kontakt „auf Wunsch“ auszustellen?

1.: Vertragsärzte sind in ihren Anordnungen zur Wirtschaftlichkeit verpflichtet. Für jede Verordnung, Einweisung, Überweisung etc muss die medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit vom Arzt beurteilt werden – deshalb erfolgt eine ärztliche Unterschrift auf der Überweisung, die Unterschrift der Helferin wäre hier unzulässig.

2.: Das Gesundheitsreformgesetz bestimmt zwei unterschiedliche Formulare: die Praxisgebührenquittung und die Überweisung. Wenn der Gesetzgeber gewollt hätte, dass Überweisungen ohne ärztliche Beurteilung und Entscheidung erfolgen sollen, würde die Quittung als „Eintrittskarte“ beim zweiten Arzt ausreichen.

 

Die streng gesetzeskonforme Vorgehensweise von mir, bezüglich der Erstellung von Überweisungen führte im Laufe des Jahres 2004 zu einer massiven Abwanderung von Patienten, die es nicht einsehen konnten, in meiner Praxis für eine Überweisung mit dem Arzt reden zu müssen, wenn sie woanders diese Überweisung nur bestellen, und abholen lassen können. Der Hinweis, dass ich mich gesetzeskonform verhalte, war nicht überzeugend, weil das gewünschte Procedere doch offensichtlich bei einigen anderen Ärzten „problemlos“ geboten wird.

 

Die Kassenärztliche Vereinigung hatte trotz mehrmaliger schriftlicher Aufforderung (siehe Anlage) keine Maßnahmen ergriffen, um diesen ungesetzlichen Zustand, beispielsweise durch ein eindeutig klärendes Rundschreiben zu beenden.

 

Der Bürger ist verpflichtet sich an die Gesetze zu halten, ob sie ihm gefallen oder nicht, egal ob es Andere auch tun oder nicht. Wenn ich eine gesetzliche Regelung außerdem für sinnvoll halte, und ich mich als wichtiges Glied in der Kette (als Hausarzt) zudem noch in der besonderen Verantwortung fühle, habe ich vor meinem Gewissen sehr wenig „Gestaltungsspielraum“. - Offenbar bin ich aber zu unflexibel, und habe die Spielregeln des Gesundheitssystems immer noch nicht verstanden.

 

Anfang 2004 hatte ich fest mit einem alsbaldigen Eingreifen des Gesundheitsministeriums gerechnet. Dass das Gesundheitsministerium so schwach sein könnte (oder aber aus politischer Taktik), dass es sich auch dann nicht frontal mit den Kassenärztlichen Vereinigungen anlegen würde, wenn diese Ihre gesetzlichen Vorgaben (durch Untätigkeit) hintertreiben, hatte ich nicht für möglich gehalten.

 

Es wäre falsch die Schuld für die wirtschaftliche Schieflage meiner Praxis nur bei Anderen zu suchen. Rückblickend war es sehr unvernünftig und besserwisserisch, mich nicht an der Vorgehensweise der Mehrheit meiner Kollegen zu orientieren. Ich hätte mich von Anfang an juristisch beraten lassen sollen, und dadurch wahrscheinlich einen gangbaren Ausweg aus meinem Dilemma gefunden.

 

 

Mit freundlichen Grüßen       

 

 

 



Zur Startseite von allgemeinarzt.de